WandlochMitte Mai dieses Jahres (siehe Kurzbeitrag) bei einem historischen Rundgang durch Steinen kam die Rede einmal mehr auf die vermeintlichen Pestlöcher. Der Begriff hält sich beharrlich. Angeblich waren solche Pestlöcher in einer Wand angebracht worden, um im Stile von Durchreichen die Speisengabe der in der Stube eingeschlossenen Pestkranken zu ermöglichen. Dieser Erklärungsversuch aber hakt – es ist überaus unwahrscheinlich, dass man Pestkranke im Hauptraum eines Hauses unterbrachte und dessen Nutzung damit weitgehend unmöglich machte. Die Unterbringung in einer ebenfalls erwärmbaren Schlafkammer oder auch der Nebenstube erschiene da doch erheblich sinnvoller. Aufgrund bauarchäologischer Beobachtungen kann derer Begriff des Pestloches aber ohnehin endgültig ad acta gelegt werden: Zahlreiche Untersuchungen der letzten vier Jahre in Schwyz zeigen ganz eindeutig, dass bauzeitlich eingebrachte Querwandöffnungen erst um 1500 nachweisbar sind, während die erste große Pestwelle Schwyz aber bereits 1348 erreichte, also etwa 150 Jahre früher. Es zeigte sich zudem, dass in Häusern, welche vor 1500 errichtet worden waren, diese Öffnung fast durchwegs nachträglich eingeschnitten wurden, zumindest bis zum beginnenden 18. Jahrhundert.

Bei den hochrechteckigen, ca. 1 m über dem Boden liegenden Öffnungen, die stets unmittelbar in der Wand neben der Eingangstür anzutreffen sind, handelt es sich vielmehr um eine Art Rezeption, um ein Fenster zur ersten Kontaktaufnahme mit den Hausbewohnern in der Stube, ohne sprichwörtlich mit der Tür  ins Haus zu fallen. Später wurden diese Öffnungen oftmals mit einem gangseitigen Korpus versehen und dienten somit als von der Stube bedienbarer Wandkasten zur Verwahrung von wertvollen Gegenständen, als Vorläufer des Büffets, das den Wandkasten spätestens ab dem beginnenden 18. Jahrhundert an der gangseitigen Stubenwand ablöst.
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WandkastenZeichnung

Steinen (SZ), Räbengasse 17, Gang, östlicher Bereich der Südwand (links), Wandkastenöffnung unter Treppe mit umlaufender Nut zur Aufnahme des Korpus sowie Ansicht, Schnitt und Plan des Wandkastens (rechts). Im Frühjahr 2010 wurde der Begriff der “Rezeption” während des Bauuntersuchs im Haus Räbengasse 17 in Steinen gemeinsam mit Anette Bieri erstmals erörtert. Siehe: Ulrike Gollnick / Anette Bieri / Franz Wadsack / Peter Frey, Haus Räbengasse 27 in Steinen: Beispiel für spätmittelalterlichen Wohnbautypus. Der archäologische Bauuntersuch, in: Mitteilungen des Historischen Vereins des Kantons Schwyz, Heft 103 (2011), S. 167-194.
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