Viele kennen den Sustenpass von Wassen im Kanton Uri nach Innertkirchen in Kanton Bern. Was Susten aber eigentlich sind, wissen viele nicht. Früher dienten Susten im Güterverkehr als Umschlagplatz zwischen Schiff und Saumtier. Weil sie Platz für die Lagerung der Transitgüter boten und somit vor dem Wetter und nicht zuletzt auch Diebstahl schützten, gewährleisteten sie einen sicheren Warentransport. Zudem wurden die Waren in den Susten auch gewogen und signiert. Für die Transporteure war eine Sust darüber hinaus auch Gasthaus und Herberge.

Ulrike Gollnick will der Entwicklung des Sustenwesens systematisch nachgehen. Der Hintergrund: Bei BAB Gollnick vermuten wir auch einen Zusammenhang mit Theaterbauten. Zu dieser These angeregt wurden wir durch den Bauuntersuch am Haus Dorfstrasse 3 in Flüelen (UR). Es war zuletzt ein Gasthaus, in seinen Anfängen dürfte es im Rahmen der Gotthardroute als typische Sust auch als Warenumschlagplatz und Kaufhaus gedient haben (vgl. Ulrike Gollnick, Flüelen UR, Dorfstrasse 3, ehemaliges Gasthaus „Ochsen“. Baugeschichtliche Untersuchung, Schwyz, Januar 2017, im Staatsarchiv Uri).

Von der Themse über die Donau zum Rigi
Besonders aufschlussreich war die Rekonstruktion eines Innenhofes innerhalb des stattlichen Hauses mit einer Grundfläche von 15 x 20 Metern. Es lässt sich belegen, dass Mitte des 16. Jahrhunderts fahrende Truppen Theaterstücke in den Innenhöfen der Wirtshäuser von London aufgeführt haben (Vanessa Schormann, Shakespeares Globe. Repliken, Rekonstruktionen und Bespielbarkeit, Heidelberg 2002, S. 10, 14). Das berühmteste Beispiel ist das für Shakespeares Stücke entwickelte „Globe Theatre“, eine polygonale Holzkonstruktion mit dreistöckigen Galerien um einen Innenhof herum. Einen vergleichbaren Innenhof weist das bis 1427 fertiggestellte sogenannte Hafenhaus im bayerischen Nördlingen auf, das als ältestes Kaufhaus Deutschlands gilt. Das vorerst letzte Indiz: Ein Bild der ehemaligen Sust in Küssnacht (SZ) aus Privatbesitz vermerkt auf der Rückseite, dass diese „Lager, Umschlaghaus und Theater“ war und „1887 abgebrochen“ wurde.

Wurden die Gebäude mit Innenhof also in ihrer spezifischen Funktion als Kaufhaus, Herberge und Gasthaus außerdem in Anlehnung an antike Arenen als Theater genutzt?  Zum Teil wurde diese Bauweise auch von Wohnbauten übernommen, wie dem Baumann’schen (ehemals Schmid’schem) Haus in Altdorf (UR), erbaut 1614, oder dem Redinghaus an der Schmiedgasse in Schwyz, erbaut ebenfalls 1614. Möglicherweise stammt die Gattin Rudolf Redings, Magdalena Schmid, von den Erbauern des Hauses in Altdorf ab.

Mitwisser gesucht!
Wichtige Erkenntnisse und viele spannende Ansätze rund um das Thema „Sust-Theater“ liegen also vor – wir sind sehr gespannt, was wir gemeinsam noch herausfinden werden. Wer hierzu Informationen oder mögliche Quellen und Funde hat, ist herzlich eingeladen, uns anzusprechen.  Der Vorhang kann fallen!

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